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      Gleichbehandlung
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  • Diskriminierung im Mietrecht

    Immer wieder trifft man - auch im Internet - auf diskriminierende Wohnungsanzeigen, etwa mit folgenden Formulierungen: „Wir vermieten nicht an Ausländer." oder „Keine Flüchtlinge!". Ein Beispiel hier.

    Eine aktuelle Untersuchung der Wochenzeitschrift Spiegel und des Bayerischen Rundfunks hat bestätigt, dass Ausländer auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden.
    Mehr dazu hier: www.hanna-und-ismail.de.

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Betroffene vor solchen Benachteiligungen, sowohl bei der Wohnungssuche als auch in bestehenden Mietverhältnissen. (1) Liegen die unten dargestellten Voraussetzungen vor, können Betroffene Schadensersatz, Entschädigung und Unterlassung verlangen (§ 21 AGG). Betroffene haben in aller Regel aber keinen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrags. (2)
    • Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat einem türkischen Ehepaar wegen diskriminierender Benachteiligungen in einem bestehenden Mietverhältnis eine Entschädigung in Höhe von jeweils 15.000 Euro zugesprochen (Urteil vom 19.12.2014). (3)

      Das Amtsgericht hat den besonders hohen Entschädigungsbetrag mit dessen abschreckender Wirkung begründet und den Betrag deshalb „so bemessen, dass er geeignet erscheint, die Beklagte, deren Wohnanlage immerhin 44 Wohnungen umfasst, künftig von weiteren Diskriminierungen abzuhalten."
    • Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek hat eine Hamburger Wohnungsbaugesellschaft verurteilt, an eine Bewerberin gut 1.000 Euro als Entschädigung zu bezahlen (Urteil vom 03.02.2017). (4) Die Bewerberin hatte wegen ihres türkischen Namens keinen Besichtigungstermin bekommen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Wohnungsbaugesellschaft hat Berufung eingelegt.

      Mit gut 1.000 Euro ist die Entschädigung relativ gering ausgefallen. Das Amtsgericht hat die Entschädigung auf drei Monatsmieten angesetzt, orientiert an § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Das ist nicht überzeugend. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf die Entschädigung im Arbeitrecht drei Monatsentgelte nicht übersteigen, wenn der Bewerber auch ohne die Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre. Würde man diese Regel „1 zu 1" auf das Mietrecht übertragen, wäre die Entschädigung bei mietrechtlicher Diskriminierung regelmäßig deutlich geringer als bei arbeitsrechtlicher Diskriminierung (Mieten sind durchschnittlich wesentlich niedriger als Arbeitsentgelte). Eine solche Differenzierung der Entschädigungsbeträge wäre nicht gerechtfertigt. Will man die Regel des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG auf mietrechtliche Diskriminierungen überhaupt übertragen, müsste man den Entschädigungsbetrag stattdessen auf die Jahresmiete ansetzen (vgl. § 41 Abs. 1 GKG).
    • Das Oberlandesgericht Köln hat einen Wohnungsverwalter verurteilt, an ein Ehepaar afrikanischer Herkunft und dunkler Hautfarbe einen Schadensersatz in Höhe von jeweils 2.500 Euro zu bezahlen (Urteil vom 19.01.2010). (5) Eine Mitarbeiterin des Verwalters hatte die Kläger anlässlich einer Wohnungsbesichtigung abgewiesen und dabei erklärt: „Die Wohnung wird nicht an Neger, äh ... Schwarzafrikaner und Türken vermietet."

      Das OLG Köln stützte den Anspruch nicht auf das AGG, sondern auf eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger. (6) Die umstrittene und in der Vorinstanz vom Landgericht Aachen (Urteil vom 17.03.2009) (7) verneinte Frage, ob der Wohnungsverwalter für Ansprüche nach dem AGG der richtige Anspruchsgegner war (8), hat sich deshalb für das OLG Köln nicht gestellt.
             
     
          Arbeitsrechtlicher Leitfaden
    zum AGG


     
     
          

    Ein Anspruch auf Schadensersatz, Entschädigung und Unterlassung (§ 21 AGG) wegen Diskriminierung im Mietrecht hat folgende Voraussetzungen:

    1. Von der Benachteiligung betroffen ...
    ... ist nur, wer tatsächlich benachteiligt wird, wer also z.B. auf eine Wohnungsanzeige antwortet, die Wohnung aber nicht erhält, oder als einziger Mieter eines Mehrfamilienhauses eine Mieterhöhung bekommt.

    2. Wegen eines Diskriminierungsmerkmals
    Die Benachteiligung muss wegen eines in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmals erfolgen, also z.B. wegen der ethnischen Herkunft oder wegen des Geschlechts des Betroffenen. Siehe hierzu (auch zum Beweis der Benachteiligung) die Grundlagen zum AGG. Anders als im Arbeitsrecht ist die Weltanschauung im Zivil- und Mietrecht kein geschütztes Diskriminierungsmerkmal. (9)

    3. Anzahl der vermieteten Wohnungen
    Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot (§ 19 AGG) gilt in der Regel nur bei Massen- und ähnlichen Geschäften (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Im Mietrecht soll ein solches Massengeschäft nur dann vorliegen, wenn der Vermieter mindestens 50 Wohnungen vermietet (§ 19 Abs. 5 Satz 3 AGG). Für die Diskriminierungsmerkmale Rasse, ethnische Herkunft und Geschlecht ist zweifelhaft, ob diese Regelung mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist. (10)
    Eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft (oder aus rassistischen Motiven) ist im Mietrecht darüber hinaus unzulässig (§ 19 Abs. 2 AGG), wenn die Wohnung öffentlich angeboten wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG). Dann ist es unerheblich, ob es sich um ein Massengeschäft handelt bzw. wieviele Wohnungen der Vermieter vermietet. Unklar ist aber, ob dies auch dann gilt, wenn der Vermieter nur eine einzige Wohnung vermietet. (11)

    4. Nähe- oder Vertrauensverhältnis
    Das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot soll nicht gelten, wenn zwischen den Parteien oder ihren Angehörigen ein besonderes Näheverhältnis besteht (§ 19 Abs. 5 Satz 1 AGG). Bei Mietverhältnissen soll dies insbesondere der Fall sein, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen (§ 19 Abs. 5 Satz 2 AGG).
    Bei einem solchen Nähe- oder Vertrauensverhältnis liegt regelmäßig kein Massen- oder ähnliches Geschäft (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG) vor. Diese Einschränkung kann deshalb praktisch nur bei Benachteiligungen Bedeutung haben, die kein Massengeschäft voraussetzen, also bei Benachteiligungen wegen der ethnischen Herkunft (oder aus rassistischen Motiven), § 19 Abs. 2 AGG. Es ist zweifelhaft, ob dies mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist. (12)

    5. Ausgewogene Siedlungsstrukturen
    Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig (§ 19 Abs. 3 AGG).
    Eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft (oder aus rassistischen Motiven) lässt sich damit nicht rechtfertigen. (13) Auch bei Benachteiligungen wegen anderer Diskriminierungsmerkmale wird sich daraus im Einzelfall kaum einmal eine Rechtfertigung ergeben. Die Einschränkung gilt jedenfalls nur für Großvermieter, die über ein schlüssiges Integrationskonzept verfügen. (14)

    6. Ausschlussfrist
    § 21 Abs. 5 AGG regelt eine außergerichtliche Ausschlussfrist. Der Betroffene muss seinen Anspruch innerhalb von zwei Monaten beim Anspruchsgegner, in der Regel also beim Vermieter geltend machen. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn der Benachteiligte ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Anders als bei arbeitsrechtlichen Benachteiligungen (siehe hierzu die Grundlagen zum AGG) gibt es bei mietrechtlichen Benachteiligungen keine zusätzliche Klagefrist. Der Anspruch kann aber verjähren (in der Regel am Ende des dritten Jahres, nachdem der Anspruch entstanden ist und der Berechtigte davon Kenntnis hat, § 199 BGB).


    Anmerkungen  

      (1)   

    Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Fair mieten - fair wohnen, Leitfaden für Mieterinnen und Mieter und Beratungsstellen (Juli 2015).

      (2)   

    Kein Kontrahierungszwang, siehe Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 21 Rn. 7. Anders Evaluation des AGG (2016), S. 96.

    (3)   

    AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 19.12.2014 (Az. 25 C 357/14, WuM 2015, 73 = Neue Justiz 2015, 247 = Grundeigentum 2015, 519). Siehe auch Berliner Mieterverein. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, die Parteien haben sich im Berufungsverfahren beim Landgericht Berlin geeinigt (ADNB, Antidiskriminierungsreport 2014-2015, S. 16 f.)

    (4)   

    AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 03.02.2017 (Az. 811b C 273/15, WuM 2017, 393). Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Beklagte hat Berufung eingelegt (Hamburger Mieterverein, Mietraum 1.2017, S. 22).

    (5)   

    OLG Köln, Urteil vom 19.01.2010 (Az. 24 U 51/09, NJW 2010, 1676 = MDR 2010, 384 = NZM 2010, 294 = ZMR 2010, 444).

    (6)   

    Zum Schadensersatz wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Diskriminierung siehe z.B. LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 (Az. 5 Sa 75/14). Siehe auch § 21 Abs. 3 AGG und Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, § 823 Rn. 85.

    (7)   

    LG Aachen, Urteil vom 17.03.2009 (Az. 8 O 449/07, NZM 2009, 318 = ZMR 2009, 685).

    (8)   

    Zur Frage des richtigen Anspruchsgegners für Entschädigungsansprüche nach dem AGG siehe z.B. LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 (Az. 5 Sa 75/14). Siehe auch Evaluation des AGG (2016), S. 67 ff., und Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 3 Rn. 8.

    (9)   

    Evaluation des AGG (2016), S. 74 f.; BGH, Urteil vom 09.03.2012 (Az. V ZR 115/11, NJW 2012, 1725, Rn. 9); Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 19 Rn. 1.

    (10)   

    Kremer, Vermietung an Ausländer (2016), S. 5 f.; Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 19 Rn. 3.

    (11)   

    Kremer, Vermietung an Ausländer (2016), S. 4; Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 2 Rn. 9.

    (12)   

    Evaluation des AGG (2016), S. 71 f.; Kremer, Vermietung an Ausländer (2016), S. 5; Müller, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt (2015), S. 17 f.; Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 19 Rn. 8.

    (13)   

    Evaluation des AGG (2016), S. 72; Kremer, Vermietung an Ausländer (2016), S. 4 f. Siehe aber auch Müller, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt (2015), S. 17.

    (14)   

    Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, AGG § 19 Rn. 6.



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