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| Gleichbehandlung
Grundlagen zum AGG
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Interessante Urteile zum AGG
Benachteiligung wegen der Rasse / ethnischen Herkunft
siehe auch: Benachteiligung wegen mangelnder Sprachkenntnisse
1. | Die Forderung nach sehr guten Englisch- und Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die Einstellung
eines Softwareentwicklers oder einer Softwareentwicklerin in einem international agierenden Unternehmen ist im Sinne von § 3
Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt. |
2. | (...) („junges hochmotiviertes Team") |
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.2016 (Az. 19 Sa 27/15) _ _ _ |
Es stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber
als Anforderung eines Bewerbers für eine Stelle „Deutsch als Muttersprache" verlangt.
LAG Hessen, Urteil vom 15.06.2015 (Az. 16 Sa 1619/14) _ _ _ |
Verlangt der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern Kenntnisse der deutschen Schriftsprache, damit sie
schriftliche Arbeitsanweisungen verstehen und die betrieblichen Aufgaben so gut wie möglich erledigen können, so verfolgt er
ein sachlich gerechtfertigtes Ziel.
BAG, Urteil vom 28.01.2010 (Az. 2 AZR 764/08) _ _ _ |
1. | Die bundespolizeilichen Kontrollbefugnisse in Zügen nach § 22 Abs. 1a BPolG haben in erster Linie
generalpräventive Funktion. |
(...) | |
8. | Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG liegt nicht erst vor,
wenn die Ungleichbehandlung ausschließlich oder ausschlaggebend an eines der dort genannten Merkmale anknüpft, sondern bereits dann,
wenn bei einem Motivbündel ein unzulässiges Differenzierungsmerkmal ein tragendes Kriterium unter mehreren gewesen ist. Eine verdachtsunabhängige
Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG in Anknüpfung an die Hautfarbe ist unzulässig. |
9. | Bei Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG muss die Bundespolizei grundsätzlich nicht darlegen und beweisen,
dass ein Merkmal nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für die Auswahl einer dieses Merkmal aufweisenden Person kein mittragendes
bzw. mitentscheidendes Kriterium gewesen ist. Allein aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG folgte keine prozessuale Beweislastumkehr. |
10. | Wird bei Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG anstelle einer „Jedermann-Kontrolle“ eine Vorauswahl der zu kontrollierenden
Personen getroffen, weil bei diesen eine zwar unspezifische, aber gesteigerte Nähe zum Normzweck angenommen wird, setzt eine solche zielgerichtete Auswahl
eine schlüssige, die Auswahlentscheidung tragende Begründung voraus. |
11. | Erst wenn die für eine zielgerichtete Auswahl gegebene Begründung sich als nicht belastbar bzw. nicht nachvollziehbar erweist,
trägt die Bundespolizei letztlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßende
Auswahlentscheidung getroffen wurde. |
OVG Koblenz, Urteil vom 21.04.2016 (Az. 7 A 11108/14.OVG) - Racial Profiling |
Benachteiligung wegen des Geschlechts
Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern - Arbeitsgericht Berlin weist AGG-Klage einer ZDF-Reporterin ab.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 01.02.2017 (Az. 56 Ca 5356/15)
siehe auch:
- Pressemitteilung der Prozessbevollmächtigten
der Klägerin
vom 01.02.2017
- Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)
unterstützt Klage gegen Entgeltdiskriminierung beim ZDF
- weitere Infos zum Verfahren auf Twitter (@AGG_Tweets) _ _ _ |
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist zulässig, wenn das Geschlecht des Stelleninhabers
eine wesentliche und entscheidende Anforderung i.S.d. § 8 Abs. 1 AGG darstellt.
BAG, Urteil vom 28.05.2009 (Az. 8 AZR 536/08) - Mädcheninternat _ _ _ |
1. | Durch Anforderungen an die Körpergröße als Einstellungsvoraussetzung werden Frauen
gegenüber Männern mittelbar benachteiligt.
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2. | Die Anforderung einer bestimmten Körpergröße für die Einstellung als Zugbegleiter/Zugbegleiterin
ist nicht sachlich gerechtfertigt. |
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2016 (Az. 19 Sa 45/15)
Mindestkörpergröße als Einstellungsvoraussetzung _ _ _ |
Die Festsetzung einer Mindestkörpergröße von 1,60 m für die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst
ist sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten.
VGH Hessen, Urteil vom 25.08.2016 (Az. 1 B 976/16)
Mindestkörpergröße als Einstellungsvoraussetzung _ _ _ |
1. | Grundsätzlich ist die Festsetzung von Mindestkörpergrößen
bei Polizeivollzugsbeamten sachlich gerechtfertigt, um eine störungsfreie Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zu gewährleisten.
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2. | Es ist sachlich gerechtfertigt, unterschiedliche Mindestkörpergrößen für weibliche und männliche Bewerber
festzusetzen. Aufgrund von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist es von Verfassungs wegen nicht nur zulässig, dem, wie hier aufgrund
natürlicher Gegebenheiten, benachteiligten Geschlecht eine günstigere rechtliche Behandlung zuteil werden zu lassen, sondern sogar geboten,
um die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern umzusetzen. Die Mindestgröße für Bewerberinnen
muss jedoch unzweifelhaft auch den praktischen Anforderungen der polizeilichen Dienstausübung genügen. |
3. | Im Grundsatz ist es nicht zu beanstanden, dass die Einstellungsvoraussetzung einer Mindestkörpergröße
durch Erlass und nicht unmittelbar durch Gesetz oder Verordnung festgesetzt wird. Werden konkrete Größen durch Verwaltungsvorschriften festgesetzt,
ist es jedoch erforderlich, dass der Dienstherr der Bedeutung des grundrechtsgleichen Rechts des Art. 33 Abs. 2 GG durch ein
hinreichend fundiertes und nachvollziehbares Verfahren zur Ermittlung einer Mindestgröße Rechnung trägt (hier verneint). |
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14.03.2016 (Az. 1 K 3788/14)
- so auch (zum 3. Leitsatz): VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2016 (Az. 2 L 1717/16)
Mindestkörpergröße als Einstellungsvoraussetzung _ _ _ |
1. | Ein Tarifvertrag, der für den Zugang zur Pilotenausbildung eine Mindestgröße
von 165 cm verlangt, benachteiligt Frauen mittelbar wegen ihres Geschlechts. Die Regelung ist nicht gerechtfertigt. Sie ist nicht erforderlich,
um die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten. |
2. | (...) (zum richtigen Anspruchsgegner) |
3. | (...) (zur Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts) |
LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 (Az. 5 Sa 75/14)
Mindestkörpergröße als Einstellungsvoraussetzung _ _ _ |
1. | Kündigt der Arbeitgeber (hier: Rechtsanwalt) das Arbeitsverhältnis
einer schwangeren Frau zum wiederholten Male ohne Beteiligung der Schutzbehörde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG), so kann die darin
liegende Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zugunsten der werdenden Mutter deren Benachteiligung wegen Schwangerschaft
und damit wegen ihres Geschlechts (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG i.V.m. § 1 AGG) indizieren (wie BAG, Urteil vom 12.12.2013, Az. 8 AZR 838/12, NZA 2014, 722, Rn. 31). |
2. | Diese indizielle Wirkung seines Handelns kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres mit dem Einwand ausräumen,
er habe nach Ablauf eines individuellen Beschäftigungsverbots (§ 3 Abs. 1 MuSchG) für den anschließenden Lauf
der Mutterschutzfrist (§ 3 Abs. 1 MuSchG) in Ermangelung irgendwelcher Nachrichten der Frau irrtümlich angenommen, die Schwangerschaft
(und damit der Sonderkündigungsschutz) sei unterdessen „anders schon beendet" gewesen. |
3. | Hier: Verurteilung zur Geldentschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) von 1.500 Euro. |
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 08.05.2015 (Az. 28 Ca 18485/14)
- bestätigt durch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2015 (Az. 23 Sa 1045/15) _ _ _ |
Wenn sich der Arbeitgeber nur wegen der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin
auf die Befristung einer Änderung von Arbeitsbedingungen beruft, die mit einer höherwertigen Tätigkeit
verbunden ist, so führt dies wegen § 15 Abs. 6 AGG nicht dazu, dass der Arbeitsvertrag dauerhaft
zu den geänderten Bedingungen fortbesteht.
LAG München, Urteil vom 13.03.2014 (Az. 2 Sa 807/13) |
Benachteiligung wegen der Religion / Weltanschauung
siehe auch: Kirche und AGG
1. | Einzelfallentscheidung zu einem Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch
nach § 15 Abs. 1 und 2 Satz 1 AGG wegen religionsbedingter Benachteiligung. |
2. | Verlangt eine katholische Arbeitgeberin im Anforderungsprofil der veröffentlichten Stellenausschreibung
für eine weder dem pastoralen noch dem erzieherischen Bereich zuzuordnende Stelle einer Personalsachbearbeiterin, die nicht
zu dem in Art. 3 Abs. 2 Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (KathKiGrdO) genannten Aufgabenkreis gehört,
lediglich eine positive Einstellung zu den Grundlagen/Zielen eines katholischen Trägers, so kann sie von diesem selbst gesetzten Anforderungsprofil
für die Dauer des Bewerbungsverfahrens nicht mehr abweichen. |
3. | Lehnt in diesem Fall die kirchliche Arbeitgeberin die Einstellung einer Bewerberin mit der Begründung ab,
diese gehöre keiner christlichen Konfession an und sei nicht getauft, so kann die abgelehnte Bewerberin gemäß § 15 Abs. 2
AGG eine angemessene Entschädigung und - sofern die Bewerberin ohne die benachteiligende Handlung als am besten geeignete Bewerberin eingestellt worden wäre
- zusätzlich Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 1 AGG verlangen. |
LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.12.2016 (Az. 17 Sa 288/16)
- Vorinstanz: Arbeitsgericht Oldenburg, Urteil vom 10.02.2016 (Az. 3 Ca 334/14) _ _ _ |
Fordert die Ausschreibung einer Stelle eines Personalsachbearbeiters/einer Personalsachbearbeiterin eines Trägers
eines katholischen Krankenhauses eine „positive Einstellung zu den Grundlagen / Zielen eines katholischen Trägers", steht einer Bewerberin,
die nur deshalb nicht eingestellt wurde, weil sie nicht getauft ist, sowohl ein Schadenersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG als auch
eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu.
Arbeitsgericht Oldenburg, Urteil vom 10.02.2016 (Az. 3 Ca 334/14)
- bestätigt durch: LAG Niedersachsen, Urteil vom 14.12.2016 (Az. 17 Sa 288/16) _ _ _ |
Das mittels Auflage im Bescheid über die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst verfügte Verbot
für eine muslimische Rechtsreferendarin, bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung im Rahmen ihrer praktischen
Ausbildung in der Zivil- und Strafrechtsstation ein Kopftuch zu tragen, findet im geltenden Recht des Bundes und des Freistaats Bayern
keine (hinreichend bestimmte) gesetzliche Grundlage.
Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 30.06.2016 (Az. Au 2 K 15.457) _ _ _ |
1. | Der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG)
gewährleistet auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit, einem aus religiösen Gründen
als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs der Fall sein kann. |
2. | Ein landesweites gesetzliches Verbot religiöser Bekundungen (hier: nach § 57 Abs. 4 SchulG NW) durch
das äußere Erscheinungsbild schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder
die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule ist unverhältnismäßig, wenn dieses Verhalten
nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. Ein angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlich
verankerten Positionen - der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte, der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler sowie
der Eltern, des Elterngrundrechts und des staatlichen Erziehungsauftrags - erfordert eine einschränkende Auslegung der Verbotsnorm, nach der zumindest
eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter vorliegen muss. |
3. | Wird in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten
bereichsspezifisch die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität
in einer beachtlichen Zahl von Fällen erreicht, kann ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, religiöse Bekundungen
durch das äußere Erscheinungsbild nicht erst im konkreten Einzelfall, sondern etwa für bestimmte Schulen oder Schulbezirke
über eine gewisse Zeit auch allgemeiner zu unterbinden. |
4. | Werden äußere religiöse Bekundungen durch Pädagoginnen und Pädagogen in der öffentlichen
bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule zum Zweck der Wahrung des Schulfriedens und der staatlichen Neutralität gesetzlich untersagt, so muss dies
für alle Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen grundsätzlich unterschiedslos geschehen. |
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.01.2015 (Az. 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10)
- dies gilt entsprechend für Erzieherinnen an Kindertagesstätten:
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.10.2016 (Az. 1 BvR 354/11) _ _ _ |
Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe
einer anderen Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung
der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu einem zumindest neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht
in Einklang zu bringen.
BAG, Urteil vom 24.09.2014 (Az. 5 AZR 611/12) |
Benachteiligung wegen einer Behinderung
Die beklagte Stadt hatte dadurch, dass sie den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte,
die Vermutung begründet, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung aus dem Auswahlverfahren vorzeitig ausgeschieden und
dadurch benachteiligt wurde. Sie war von ihrer Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch nicht
nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit. Auf der Grundlage der Angaben des Klägers in seiner Bewerbung durfte sie
nicht davon ausgehen, dass diesem die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlte.
BAG, Urteil vom 11.08.2016 (Az. 8 AZR 375/15), Pressemitteilung _ _ _ |
(...) dass es zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung
nicht ausgereicht hätte, wenn das beklagte Land Tatsachen vorgetragen und bewiesen hätte, aus denen sich ergab, dass ausschließlich
andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Klägers ausschlaggebend waren, sondern dass hinzukommen musste,
dass diese Gründe nicht die fachliche Eignung des Klägers betrafen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 24.01.2013, Az. 8 AZR 188/12, Rn. 42; Urteil vom 16.02.2012, Az. 8 AZR 697/10, Rn. 59). Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82
Satz 3 SGB IX getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich
ist, wenn dem Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. § 82 Satz 3 SGB IX enthält insoweit eine abschließende
Regelung, die bewirkt, dass sich der (potentielle) Arbeitgeber zur Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2
SGB IX vermuteten Kausalität nicht auf Umstände berufen kann, die die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Die Widerlegung
dieser Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen
unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Diese Einschränkung
gilt allerdings nur für den Bereich des öffentlichen Dienstes und nicht für private Arbeitgeber. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts,
dass die vom beklagten Land für die Herausnahme des Klägers aus dem Auswahlverfahren angeführten Gründe nicht
die fachliche Eignung des Klägers betreffen, lässt revisible Rechtsfehler nicht erkennen.
BAG, Urteil vom 20.01.2016 (Az. 8 AZR 194/14), Rn. 45 f. _ _ _ |
Aus der Verletzung der Einladungspflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX kann im Rahmen von § 22 AGG nicht
ohne weiteres die Vermutung abgeleitet werden, es liege eine Benachteiligung wegen einer Behinderung vor, wenn es dem Arbeitgeber
gerade um die Einstellung eines Menschen mit eigener Behinderung geht.
Arbeitsgericht Ulm, Urteil vom 02.08.2016 (Az. 5 Ca 86/16) _ _ _ |
Gemäß § 82 Satz 2 und 3 SGB IX hat der öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Bewerber zu einem
Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, die fachliche Eignung fehlt offensichtlich. Ein öffentlicher Arbeitgeber macht
den gesetzlich intendierten Chancenvorteil des schwerbehinderten Bewerbers zunichte, wenn er diesem zwar die Einladung zu einem
Vorstellungsgespräch in Aussicht stellt, gleichzeitig aber dem schwerbehinderten Bewerber mitteilt, dessen Bewerbung habe
nach der „Papierform" nur eine geringe Erfolgsaussicht, weshalb der schwerbehinderte Bewerber mitteilen möge, ob er
das Vorstellungsgespräch wahrnehmen wolle. Eine solch „abschreckende" Einladung begründet gemäß § 22 AGG
die Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2014 (Az. 1 Sa 13/14) _ _ _ |
Zur Frage, ob und ggf. in welcher Höhe einem Beamten, der wegen einer Behinderung im Sinne
des § 1 AGG in einem Stellenbesetzungsverfahren gar nicht erst in den Leistungsvergleich einbezogen worden ist,
ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zusteht.
OLG Lüneburg, Beschluss vom 18.10.2016 (Az. 5 LA 208/15) _ _ _ |
Eine in einem Tarifvertrag geregelte auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis bei Gewährung
einer Rente auf unbestimmte Dauer wegen voller Erwerbsminderung endet, bewirkt keine Benachteiligung wegen einer Behinderung des Arbeitnehmers.
BAG, Urteil vom 10.12.2014 (Az. 7 AZR 1002/12) _ _ _ |
Eine an die Rentenberechtigung aufgrund der Schwerbehinderung anknüpfende Pauschalierung der Sozialplanabfindung
benachteiligt schwerbehinderte Arbeitnehmer unmittelbar gegenüber nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern, welche in gleicher Weise von dem
sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind und eine höhere, nach ihren individuellen Betriebs- und Sozialdaten zu ermittelnde Sozialplanabfindung
verlangen können.
BAG, Urteil vom 17.11.2015 (Az. 1 AZR 938/13) _ _ _ |
Eine symptomlose HIV-Infektion hat eine Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
zur Folge. Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückzuführende soziale Vermeidungsverhalten
sowie die darauf beruhenden Stigmatisierungen andauern.
BAG, Urteil vom 19.12.2013 (Az. 6 AZR 190/12) |
Benachteiligung wegen des Alters
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Formulierung in der Stellenausschreibung, mit der
eine Person gesucht wurde, die „gerade frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung kommt“, mangels einer Rechtfertigung (§ 3
Abs. 2 Halbs. 2 AGG) ältere Personen - wie den Kläger - gegenüber jüngeren Personen mittelbar benachteiligt i.S.v. § 3
Abs. 2 AGG und deshalb die Vermutung i.S.v. § 22 AGG begründet, dass der Kläger entgegen §§ 1, 7 Abs. 1
AGG wegen seines Alters unmittelbar diskriminiert wurde i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG.
BAG, Urteil vom 15.12.2016 (Az. 8 AZR 454/15), Rn. 18 _ _ _ |
Die Selbstbeschreibung eines Unternehmens als „junges dynamisches Unternehmen" lässt eine Diskriminierung
älterer Arbeitnehmer nicht vermuten.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.05.2016 (Az. 6 Sa 419/15) _ _ _ |
1. | (...) („sehr gute Englisch- und Deutschkenntnisse") |
2. | Die Formulierung in einer Stellenanzeige, wonach ein Unternehmen ein „junges hochmotiviertes Team"
vorzuweisen habe und die Aufforderung, sich zu bewerben, wenn der oder die Bewerber/in „Teil eines jungen, hochmotivierten Teams"
werden wolle, ist nicht eindeutig. „Jung" kann sich in diesem Zusammenhang auf den Zeitpunkt der Zusammensetzung
des Teams genauso wie auf das Lebensalter der Teammitglieder beziehen. Da keines der möglichen Verständnisse überwiegend
wahrscheinlich ist, fehlt auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung wegen des Lebensalters. |
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.01.2016 (Az. 19 Sa 27/15) _ _ _ |
Wird in einer Stellenanzeige ein „Young Professional“ gesucht, werden keineswegs Personen,
die nicht mehr jung sind, vom Kreis derer, die für die zu besetzende Stelle in Betracht kommen, ausgeschlossen.
LAG Nürnberg, Urteil vom 27.11.2015 (Az. 3 Sa 99/15) _ _ _ |
1. | Die Beschränkung des Bewerberkreises in einer Stellenanzeige
auf Arbeitnehmer, die ihre käufmännische Ausbildung vor kurzem abgeschlossen haben, kann im Einzelfall eine mittelbare Benachteiligung
wegen des Alters indizieren. |
2. | Das im Sinne einer Höchstanforderung verwandte Merkmal „Berufsanfänger" schließt typischerweise Bewerber
mit einem höheren Lebensalter von einer Bewerbung auf die offene Stelle aus. |
3. | Eine mittelbare Altersdiskriminierung liegt nicht vor, wenn die Stellenanforderung „Berufsanfänger"
durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. |
LAG Düsseldorf, Urteil vom 09.06.2015 (Az. 16 Sa 1279/14) _ _ _ |
1. | Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÖD, wonach Beschäftigte
nach der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub haben, während
der Urlaubsanspruch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres nur 26 Arbeitstage und bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres
nur 29 Arbeitstage beträgt, beinhaltet eine unmittelbare, nicht gerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters. |
2. | Der Verstoß der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVÖD angeordneten Bemessung des Urlaubs nach Altersstufen
gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kann für die Vergangenheit nur beseitigt werden, indem der Urlaub der
wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise „nach oben" angepasst wird, dass auch ihr Urlaubsanspruch
in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage beträgt. |
BAG, Urteil vom 20.03.2012 (Az. 9 AZR 529/10)
- siehe auch: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.02.2016 (Az. 2 Sa 192/15) _ _ _ |
§ 22 MTV Damp vom 12.12.2006 (...), der für Arbeitnehmer ab dem 50. Lebensjahr einen um 2 Tage
erhöhten Urlaubsanspruch vorsieht, ist nicht wegen Verstoß(es) gegen das Verbot der Altersdiskriminierung unwirksam (im Anschluss
an LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.02.2015, Az. 5 Sa 168/14).
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23.02.2016 (Az. 2 Sa 192/15)
- siehe auch: BAG, Urteil vom 20.03.2012 (Az. 9 AZR 529/10) _ _ _ |
Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Einführung von Einstellungshöchstaltersgrenzen
im Öffentlichen Dienst.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.04.2015 (Az. 2 BvR 1322/12 und 1989/12)
- nachgehend: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.10.2016 (Az. 1 C 11.15)
- siehe auch: OLG Hamm, Urteil vom 02.09.2016 (Az. 11 U 16/16)
- siehe auch: EuGH, Urteil vom 15.11.2016 (Rs. C-258/15) _ _ _ |
Die seit Januar 2016 geltende Neuregelung des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach eine Ernennung zum Beamten grundsätzlich
nur vor Vollendung des 42. Lebensjahres erfolgen kann, verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen Unionsrecht.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.10.2016 (Az. 2 C 11.15)
- vorgehend: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.04.2015 (Az. 2 BvR 1322/12 und 1989/12)
- siehe auch: OLG Hamm, Urteil vom 02.09.2016 (Az. 11 U 16/16)
- siehe auch: EuGH, Urteil vom 15.11.2016 (Rs. C-258/15) _ _ _ |
2. | Zum Schadensersatzanspruch einer Lehrerin, die vom Land Nordrhein-Westfalen in Anwendung einer verfassungswidrigen
Altersgrenze zu Unrecht nicht verbeamtet worden ist. |
OLG Hamm, Urteil vom 02.09.2016 (Az. 11 U 16/16)
- Das OLG Hamm hat einen Schadensersatzanspruch abgelehnt.
- nicht rechtskräftig (Az. beim BGH: III ZR 492/16)
- siehe auch: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.04.2015 (Az. 2 BvR 1322/12 und 1989/12)
- siehe auch: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.10.2016 (Az. 1 C 11.15)
- siehe auch: EuGH, Urteil vom 15.11.2016 (Rs. C-258/15) _ _ _ |
Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG (...) zur Festsetzung eines allgemeinen Rahmens
für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung
wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die vorsieht, dass die Bewerber auf Stellen für Beamte einer Polizei,
die sämtliche dieser Polizei obliegenden Einsatz- und Vollzugsaufgaben wahrnehmen, das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen,
nicht entgegensteht.
EuGH, Urteil vom 15.11.2016 (Rs. C-258/15)
- siehe auch: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.04.2015 (Az. 2 BvR 1322/12 und 1989/12)
- siehe auch: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.10.2016 (Az. 1 C 11.15)
- siehe auch: OLG Hamm, Urteil vom 02.09.2016 (Az. 11 U 16/16) _ _ _ |
Bei summarischer Prüfung im Eilverfahren ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Höchstaltersgrenze
von 70 Jahren für Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 VermG mit dem Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz unvereinbar ist.
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.08.2016 (Az. 5 S 852/16)
- siehe schon OVG Sachsen, Beschluss vom 11.11.2014 (Az. 4 A 784/13) _ _ _ |
1. | Eine in einem Sozialplan vorgesehene Abfindungsregelung, die die Abfindungshöhe
auf fünf bzw. im Falle der Schwerbehinderung sechs Bruttomonatsgehälter festlegt, ohne nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit
oder dem Alter zu differenzieren, verstößt nicht gegen den Grundsatz des Verbotes der Altersdiskriminierung. |
2. | Jedenfalls im Anwendungsbereich des § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG (Neugründung eines Unternehmens)
verstößt eine derartige Regelung auch nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (unter Berücksichtigung
des Zweckes eines Sozialplanes). |
Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 10.11.2016 (Az. 11 Ca 3130/16) _ _ _ |
Eine Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehegatten
nur für den Fall zusagt, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen ist,
benachteiligt den Arbeitnehmer unzulässig wegen des Alters.
BAG, Urteil vom 04.08.2015 (Az. 3 AZR 137/13) _ _ _ |
Eine Altersabstandsklausel, die einer Witwe 5% Hinterbliebenenrente pro Jahr, das sie mehr als
15 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann war, kürzt, benachteiligt nicht unzulässig wegen des Alters.
Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 20.07.2016 (Az. 7 Ca 6880/15) _ _ _ |
Eine Altersabstandsklausel, nach der der Anwärter nicht mehr als 20 Jahre älter sein darf
als der überlebende Ehepartner, ist nach der derzeitigen Rechtslage wirksam. Sie dient einer sachlich gerechtfertigten Risikobegrenzung.
LAG Niedersachsen, Urteil vom 23.06.2011 (Az. 4 Sa 381/11 B)
- zur Altersabstandsklausel bei der Witwenrente siehe auch
Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 20.07.2016 (Az. 7 Ca 6880/15)
LAG Köln, Urteil vom 25.01.2013 (Az. 4 Sa 1113/11)
vor Inkrafttreten des AGG: BAG, Beschluss vom 27.06.2006 (Az. 3 AZR 352/05)
- zur Spätehenklausel bei der Witwenrente siehe
BAG, Urteil vom 04.08.2015 (Az. 3 AZR 137/13) |
Benachteiligung wegen der sexuellen Identität
Ausweislich der Gesetzesbegründung werden von der „sexuellen Identität“ homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie
bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen erfasst (BT-Drs. 16/1780, S. 31). Demgegenüber kennt das Unionsrecht
den Begriff der sexuellen Identität nicht, sondern spricht in Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2000/78/EG
von der „sexuellen Ausrichtung“ und ordnet die Transsexualität dem Begriff „Geschlecht“ zu (...). In unionsrechtskonformer Auslegung
des § 1 AGG wird die Transsexualität demnach sowohl vom Grund „Geschlecht“ als auch vom Grund „sexuelle Identität“ umfasst.
BAG, Urteil vom 17.12.2015 (Az. 8 AZR 421/14), Rn. 31 |
unmittelbare / mittelbare Benachteiligung
siehe auch: Benachteiligung wegen mangelnder Sprachkenntnisse
siehe auch: Mindestkörpergröße als Einstellungsvoraussetzung
Die Darlegungs- und Beweislast für die die Rechtfertigung i.S.v. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG
begründenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber.
BAG, Urteil vom 15.12.2016 (Az. 8 AZR 454/15) _ _ _ |
Eine mittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG liegt nicht vor, wenn die unterschiedliche
Behandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und
erforderlich sind.
BAG, Urteil vom 28.01.2010 (Az. 2 AZR 764/08) |
Diskriminierungsmerkmal nur angenommen
§ 7 Abs. 1 AGG enthält ein einheitliches generelles Verbot der Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG
genannten Grundes. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt
werden. Dies gilt nach § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines
in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt. Ob der Grund tatsächlich in der Person des oder
der Beschäftigten vorliegt, ist demnach nicht entscheidend. § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG berücksichtigt damit den Umstand,
dass Menschen oft bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden, z.B. allein aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes (...).
Macht sich der Benachteiligende Vorstellungen über das Vorliegen eines Benachteiligungsgrundes, kann dies genügen,
um den Entschädigungsanspruch auszulösen (etwa BAG, Urteil
vom 17.12.2009, Az. 8 AZR 670/08, Rn. 14).
BAG, Urteil vom 17.12.2015 (Az. 8 AZR 421/14), Rn. 20 |
Kündigung / Befristung
Eine altersdiskriminierende Kündigung ist im Kleinbetrieb nach § 134 BGB
i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam.
BAG, Urteil vom 23.07.2015 (Az. 6 AZR 457/14) _ _ _ |
Eine ordentliche Kündigung, die einen Arbeitnehmer, auf den das Kündigungsschutzgesetz
(noch) keine Anwendung findet, aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe diskriminiert, ist nach § 134 BGB
i.V.m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen.
BAG, Urteil vom 19.12.2013 (Az. 6 AZR 190/12) _ _ _ |
1. | Bei diskriminierenden Kündigungen ist unbeschadet des § 2 Abs. 4 AGG
ein Anspruch auf den Ersatz immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG grundsätzlich möglich. |
2. | Die merkmalsbezogene Belastung in Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls
dann zu einem Entschädigungsanspruch, wenn sie über das Normalmaß hinausgeht. |
BAG, Urteil vom 12.12.2013 (Az. 8 AZR 838/12)
- siehe auch Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 08.05.2015 (Az. 28 Ca 18485/14)
(wiederholte Kündigung einer schwangeren Frau trotz Kündigungsverbots) _ _ _ |
Wenn sich der Arbeitgeber nur wegen der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin
auf die Befristung einer Änderung von Arbeitsbedingungen beruft, die mit einer höherwertigen Tätigkeit
verbunden ist, so führt dies wegen § 15 Abs. 6 AGG nicht dazu, dass der Arbeitsvertrag dauerhaft
zu den geänderten Bedingungen fortbesteht.
LAG München, Urteil vom 13.03.2014 (Az. 2 Sa 807/13) |
Kirche und AGG
siehe auch: Diskriminierungsmerkmal Religion
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird (...) um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht: |
1. | Ist Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG (...) dahin auszulegen, dass die Kirche
für eine Organisation wie die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits verbindlich bestimmen kann, bei einem an Arbeitnehmer
in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten zwischen Arbeitnehmern zu unterscheiden, die der Kirche
angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören? |
2. | Sofern die erste Frage verneint wird: |
| a) | Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 9 Abs. 2 AGG, wonach eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Konfessionszugehörigkeit
der Arbeitnehmer entsprechend dem jeweiligen Selbstverständnis der Kirche gerechtfertigt ist, im vorliegenden Rechtsstreit unangewendet bleiben? |
| b) | Welche Anforderungen gelten gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der RL 2000/78/EG für ein
an die Arbeitnehmer einer Kirche oder einer der dort genannten anderen Organisationen gerichtetes Verlangen nach einem loyalen und aufrichtigen Verhalten
im Sinne des Ethos der Organisation? |
BAG, Beschluss vom 28.07.2016 (Az. 2 AZR 746/14 (A)) _ _ _ |
Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (...) die folgenden Fragen vor: |
1. | Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass ein Arbeitgeber, wie der Beklagte
des vorliegenden Falles, - bzw. die Kirche für ihn - verbindlich selbst bestimmen kann, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers
nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte
berufliche Anforderung angesichts seines/ihres Ethos darstellt? |
2. | Sofern die erste Frage verneint wird:
Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts - wie hier § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG -, wonach eine unterschiedliche Behandlung
wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen auch zulässig ist,
wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses dieser Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht
eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, in einem Rechtsstreit wie hier unangewendet bleiben? |
3. | Sofern die erste Frage verneint wird, zudem:
Welche Anforderungen sind an die Art der Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung als wesentliche, rechtmäßige und
gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG
zu stellen? |
BAG, Beschluss vom 17.03.2016 (Az. 8 AZR 501/14 (A)) |
Beweislast (Indizien einer Benachteiligung)
1. | (...) (zur objektiven Eignung des Bewerbers) |
2. | Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG aus, begründet dies die Vermutung
i.S.v. § 22 AGG, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahlverfahren wegen eines Grundes i.S.v. § 1 AGG
benachteiligt wurde. |
3. | (...) (zur subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung) |
BAG, Urteil vom 19.05.2016 (Az. 8 AZR 470/14) _ _ _ |
Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG eine Erleichterung der Darlegungslast,
eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist,
die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG
die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält,
ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen,
dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (...). Dies gilt nicht nur im Hinblick
auf § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG, sondern ebenso im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 7 Abs. 1
Halbs. 2 AGG, also bezogen auf die Frage, ob der Benachteiligende das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes
bei der Benachteiligung nur angenommen hat.
BAG, Urteil vom 17.12.2015 (Az. 8 AZR 421/14), Rn. 24 f. |
Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs
Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG zur Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs
beginnt frühestens mit dem Zugang der Ablehnung. Das bloße Schweigen des Arbeitgebers auf eine Bewerbung
stellt keine Ablehnung dar. Dies gilt auch dann, wenn der Zeitraum, für den das befristete Arbeitsverhältnis
ausgeschrieben war, inzwischen abgelaufen ist.
LAG Hessen, Urteil vom 15.06.2015 (Az. 16 Sa 1619/14) _ _ _ |
1. | (...) (zur Mindestgröße für den Zugang zur Pilotenausbildung) |
2. | Für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist der potentielle
Arbeitgeber nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 AGG, der die Stelle ausgeschrieben und Bewerbungen dafür erbeten hat, der richtige Anspruchsgegner.
Danach ist eine Fluggesellschaft, die das Auswahlverfahren für die Pilotenausbildung durchführt, für Ansprüche aus dem AGG
nicht passiv legitimiert, wenn der Schulungsvertrag bei einer erfolgreichen Bewerbung mit ihrer Tochtergesellschaft abgeschlossen wird. |
3. | (...) (zur Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts) |
LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 (Az. 5 Sa 75/14) |
Eignung des Bewerbers / Ernsthaftigkeit der Bewerbung
1. | Die „objektive Eignung" des Bewerbers / der Bewerberin ist kein Kriterium
der „vergleichbaren Situation" oder der vergleichbaren Lage i.S.v. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG und deshalb nicht Voraussetzung für einen Anspruch
nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG. |
2. | (...) (zur Stellenausschreibung) |
3. | § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Auf die „subjektive Ernsthaftigkeit"
der Bewerbung kommt es nicht an. |
BAG, Urteil vom 19.05.2016 (Az. 8 AZR 470/14)
- siehe dazu beck-blog: Neues vom BAG zum AGG _ _ _ |
Scheinbewerbung („AGG-Hopping")
Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen,
unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.
BAG, Urteil vom 26.01.2017 (Az. 8 AZR 848/13, Rn. 123 ff.)
- siehe dazu hauffe: AGG: Strenge Kriterien für Rechtsmissbrauch bei Schein-Bewerbern
- siehe dazu beck-blog: AGG: Nils Kratzer geht in die nächste Runde _ _ _ |
(...) sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen
im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Die kann
in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf
der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber -
sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses - freiwillig
die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.
BAG, Urteil vom 19.05.2016 (Az. 8 AZR 470/14, Rn. 58)
- siehe dazu beck-blog: Neues vom BAG zum AGG _ _ _ |
(...) dass eine Situation, in der eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten,
sondern nur den formalen Status als Bewerber erlangen möchte, und zwar mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend
zu machen, nicht unter den Begriff „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ (...) fällt und,
wenn die nach Unionsrecht erforderlichen Tatbestandsmerkmale vorliegen, als Rechtsmissbrauch bewertet werden kann.
EuGH, Urteil vom 28.07.2016 (Rs. C-423/15) _ _ _ |
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden (...) folgende Fragen vorgelegt: |
1. | Sind (...) dahin gehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zu abängiger
Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur
der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können? |
2. | Falls die erste Frage bejaht wird:
Kann eine Situation, in der der Status als Bewerber nicht im Hinblick auf eine Einstellung und Beschäftigung, sondern zwecks
Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen erreicht wurde, nach Unionsrecht als Rechtsmissbrauch bewertet werden? |
BAG, Beschluss vom 18.06.2015 (Az. 8 AZR 848/13 (A)) |
Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
1. | (...) (zur Mindestgröße für den Zugang zur Pilotenausbildung) |
2. | (...) (zum richtigen Anspruchsgegner) |
3. | Außerhalb des Anwendungsbereichs des AGG kommen bei einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung deliktische Ansprüche
wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht. |
4. | Ein Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt
nicht voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt. Allerdings sind nur solche materielle Schäden zu ersetzen, die in
den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen. Dies setzt einen Eingriff in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts voraus. |
5. | Die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet einen Anspruch auf eine Geldentschädigung,
wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. |
LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014 (Az. 5 Sa 74/14) |
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Rechtsanwalt Arne Maier, Schlehenweg 21, 73733 Esslingen
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