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XI ZR 106/05
BGHZ 167, 239 NJW 2006, 1955 WM 2006, 1066 ZIP 2006, 1084 |
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1. |
Nach § 6 Abs.1 VerbrKrG ist ein Kreditvertrag nur dann nichtig,
wenn die in § 4
Abs.1 Satz 4 Nr.1b VerbrKrG
vorgeschriebene Gesamtbetragsangabe völlig fehlt, nicht jedoch,
wenn sie falsch ist. |
2. |
Ein wegen fehlender Gesamtbetragsangabe nichtiger Darlehensvertrag wird
gemäß § 6 Abs.2 Satz 1 VerbrKrG gültig, wenn dem Kreditnehmer
die Darlehensvaluta nicht direkt zugeflossen, sondern vertragsgemäß
unmittelbar an einen Treuhänder zwecks Erwerbs eines Fondsanteils
ausgezahlt worden ist. Das gilt auch dann, wenn Darlehensvertrag und
Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft gemäß § 9 Abs.1 VerbrKrG darstellen
(Abweichung von BGHZ 159,294,
BGH, Urteile vom 14.06.2004,
II ZR 407/02 und vom 21.03.2005,
II ZR 411/02). |
3. |
Ist ein Darlehensnehmer durch falsche Angaben zum Erwerb einer Fondsbeteiligung
bewogen worden, kann er bei Vorliegen eines verbundenen Geschäfts
i.S.v. § 9 Abs.1
VerbrKrG auch der die Fondsbeteiligung finanzierenden Bank seine Ansprüche
gegen die Fondsgesellschaft entgegenhalten und
gemäß § 9 Abs.3 VerbrKrG die Rückzahlung des Kredits verweigern,
soweit ihm gegen die Fondsgesellschaft ein Abfindungsanspruch zusteht
(Bestätigung von BGHZ 156,46
und Senatsurteil vom 23.09.2003, XI ZR 135/02,
WM 2003,2232). |
4. |
Ansprüche gegen Gründungsgesellschafter, Fondsinitiatoren,
maßgebliche Betreiber, Manager und Prospektherausgeber kann der Kreditnehmer
nicht gemäß § 9 Abs.3 VerbrKrG dem Rückzahlungsverlangen der Bank
entgegensetzen (Abweichung von BGH, II.Zivilsenat, Urteile vom 14.06.2004, vom 25.10.2004, II ZR 373/01,
BKR 2005,73, vom 06.12.2004, II ZR 394/02, WM 2005,295,297,
vom 31.01.2005, II ZR 200/03,
und vom 21.03.2005, II ZR 411/02). |
5. |
Ist ein Darlehensnehmer durch falsche Angaben zum Erwerb einer Fondsbeteiligung
bewogen worden, kann er auch den mit dem Anlagevertrag
gemäß § 9
Abs.1 VerbrKrG verbundenen Darlehensvertrag nach § 123 BGB anfechten,
wenn die Täuschung auch für dessen Abschluss kausal war.
Den daneben bestehenden Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss
gegen den Vermittler kann der Darlehensnehmer ebenfalls gegen die kreditgebende Bank
geltend machen, da der Vermittler bei einem verbundenen Geschäft nicht Dritter
i.S.v. § 123 Abs.2 BGB ist. |
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zum 5. Leitsatz (Rdnrn. 29ff): |
29 |
Die Rechte des Anlegers und Darlehensnehmers erschöpfen sich indes
bei dessen arglistiger Täuschung durch einen Vermittler
über die Fondsbeteiligung und einem verbundenen Geschäft nicht
in den genannten Rechten gegen die Fondsgesellschaft,
die gemäß § 9 Abs.3 VerbrKrG der kreditgebenden Bank entgegengehalten
werden können. Der Kreditnehmer kann in einem solchen Fall vielmehr
ohne weiteres auch den mit dem Anlagevertrag gemäß
§ 9
Abs.1 VerbrKrG verbundenen Darlehensvertrag als solchen nach
§ 123 BGB anfechten,
wenn die Täuschung auch für dessen Abschluss
kausal war, denn der Vermittler sowohl der Fondsbeteiligung
als auch des Darlehensvertrages ist für die kreditgebende Bank
nicht Dritter i.S.v. § 123 Abs.2 BGB
(...). Von einer solchen Kausalität, die festzustellen
allerdings Sache des Berufungsgerichts ist, wird wegen der
wirtschaftlichen Einheit von Fondsbeitritt und Kreditvertrag regelmäßig
auszugehen sein (...). | |
30 |
Anstelle der Anfechtung auch des Darlehensvertrages kann der über
die Fondsbeteiligung getäuschte Anleger und Kreditnehmer,
etwa wenn die Anfechtungsfrist des § 124 Abs.1 BGB
verstrichen ist (...) oder wenn es ausnahmsweise an der notwendigen Arglist
fehlt (...), bei einem verbundenen Vertrag (§ 9 Abs.1 VerbrKrG) im Falle
eines Vermögensschadens einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden
bei Vertragsschluss gegen die kreditgebende Bank geltend machen.
Denn diese muss sich bei einem verbundenen Geschäft das täuschende Verhalten
des Vermittlers zurechnen lassen, da dieser nicht Dritter i.S.v.
§ 123 Abs.2 BGB ist. Zur Vermeidung
eines unvertretbaren Wertungswiderspruchs ist es deshalb geboten,
bei einem verbundenen Geschäft (§ 9 Abs.1 VerbrKrG) der kreditgebenden
Bank nicht nur die arglistige Täuschung des Fonds- und Kreditvermittlers
über die Fondsbeteiligung, sondern auch ein darin liegendes vorsätzliches
Verschulden bei Vertragsschluss zuzurechnen. Ob die Bank auch bei einem
nicht verbundenen Geschäft unter besonderen Voraussetzungen sich entgegenhalten lassen
muss, dass sie Kenntnis von der Unrichtigkeit von Angaben
von Initiatoren oder Vermittlern bzw. des Fondsprospekts gehabt hat,
bedarf hier keiner Entscheidung. | |
31 |
Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Satz 1 BGB) ist
der Anleger und Kreditnehmer so zu stellen, wie er ohne die Täuschung
gestanden hätte. Nach der Lebenserfahrung, die im konkreten Fall zu widerlegen
Sache der Bank ist, ist davon auszugehen, dass er dem Fonds dann nicht beigetreten
wäre (...) und deshalb auch den Kredit nicht aufgenommen hätte. Der Anleger muss
den Kredit deshalb nicht zurückzahlen, sondern nur seinen Fondsanteil,
nach dessen Kündigung seinen Abfindungsanspruch, an die kreditgebende Bank
abtreten, die ihrerseits die Rückerstattung von Zins- und Tilgungsleistungen
an den Kreditnehmer und Anleger - abzüglich der nach dem Prinzip
der Vorteilsausgleichung anzurechnenden Fondsausschüttungen und etwaiger Steuerersparnisse -
schuldet. | |
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| Anmerkung:
Der XI. Zivilsenat hat es hier noch offengelassen, "ob die Bank auch bei einem
nicht verbundenen Geschäft unter besonderen Voraussetzungen sich entgegenhalten lassen
muss, dass sie Kenntnis von der Unrichtigkeit von Angaben
von Initiatoren oder Vermittlern bzw. des Fondsprospekts gehabt hat"
(Rdnr. 30, letzter Satz).
Diese Frage stellt sich dann, wenn das Darlehen durch eine Grundschuld abgesichert wurde
(sog. Realkredit), weil nach bisheriger
(umstrittener) Rechtsprechung des XI. Zivilsenats bei Realkrediten
kein verbundenes Geschäft vorliegen soll.
Hierzu aus der Pressemitteilung des BGH vom 16.05.06:
"Der XI. Zivilsenat hat aber im Interesse der Effektivierung des Verbraucherschutzes
bei realkreditfinanzierten Wohnungskäufen und Immobilienfondsbeteiligungen,
die nicht als verbundene Geschäfte behandelt werden können, und um
dem in den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
vom 25.10.2005 zum Ausdruck kommenden Gedanken des Verbraucherschutzes
vor Risiken von Kapitalanlagemodellen im nationalen Recht Rechnung zu tragen,
seine Rechtsprechung zum Bestehen von eigenen Aufklärungspflichten
der kreditgebenden Bank in diesen Fällen ergänzt.
Danach können sich die Anleger in Fällen eines
institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer
oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg
auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung
der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung
des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder
Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen.
Die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank
von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet,
wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler
und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken,
auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler
angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers,
Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs-
oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist,
so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis
der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen."
Hier wird also (auch für Realkredite) das vom XI.Zivilsenat
zunächst ausgesperrte verbundene Geschäft durch die Hintertür wieder eingelassen,
wobei noch unklar ist, wie breit dieser Einlass ist. | |
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BGH, Urteil vom 01.07.08 (Leitsatz): |
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Eine Haftung der Bank nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung
vom 25.04.2006 (BGHZ 167,239,250f., Tz.29f.) setzt zwingend eine arglistige Täuschung
durch den Vermittler voraus. Für die Arglist trägt der Darlehensnehmer/Anleger
die Beweislast; § 282 BGB a.F. ist insofern nicht anwendbar. Gleiches muss
für den nach der genannten Senatsrechtsprechung aus der arglistigen Täuschung
abgeleiteten Anspruch aus vorsätzlichem Verschulden bei Vertragsverhandlungen gelten. |
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