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Bankrecht
Infos zur Bürgschaft
Widerruf der Bürgschaftserklärung
Als Bürge können Sie ein Widerrufsrecht haben, wenn Sie Ihre Bürgschaftserklärung vor dem 13.06.2014
in einer „Haustürsituation" abgegeben haben.
„§ 312 (...) BGB dient dem Schutz des Verbrauchers vor der Gefahr, bei der Anbahnung eines Vertrages
in einer ungewöhnlichen räumlichen Situation überrumpelt und zu einem unüberlegten Geschäftsabschluss veranlasst
zu werden (...). Diese Gefahr droht einem Bürgen immer, wenn er sich selbst in einer so genannten Haustürsituation
befindet. Sie besteht unabhängig davon, ob die Hauptschuld ein Verbraucherdarlehen oder ein gewerblicher Kredit ist und ob
der Hauptschuldner ebenfalls durch eine Haustürsituation zum Vertragsschluss bestimmt worden ist (...). Die Akzessorietät der Bürgschaft
rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie eröffnet dem Bürgen zwar die Möglichkeit, sich analog § 770 BGB auf ein etwaiges Widerrufsrecht des Hauptschuldners zu berufen (...), macht aber
die Begründung eines eigenen Widerrufsrechts des Bürgen nicht von der Verbrauchereigenschaft des Hauptschuldners oder einer
auf diesen bezogenen Haustürsituation abhängig (...). Der Bürgschaftsvertrag begründet ein eigenes Schuldverhältnis (...)
und unter den Voraussetzungen des § 312 BGB ein eigenes Widerrufsrecht des Bürgen."
BGH, Urteil vom 10.01.2006 (Az. XI ZR 169/05) |
Die früheren „Haustürgeschäfte" heißen seit Juni 2014 „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge".
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei solchen Geschäften ist jetzt geregelt in § 312g BGB.
Aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (in Kraft seit dem 13.06.2014) ist umstritten,
ob Bürgschaftserklärungen weiterhin widerruflich sind.
weiterhin widerruflich: Hoffmann (ZIP 2015, 1365); Meier (ZIP 2015, 1156); Schürnbrand (WM 2014, 1157)
nicht mehr widerruflich: v. Löwenich (NJW 2014, 1409, und WM 2015, 113); Stackmann (NJW 2014, 2403)
Der Bundesgerichtshof (XI. Zivilsenat) hat am 22.09.2020 entschieden,
dass bei Bürgschaftserklärungen, die seit dem 13.06.2014 abgegeben wurden, kein Widerrufsrecht mehr bestehen soll.
Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, hängt davon ab, ob ein deutsches Instanzgericht diese Frage
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorlegen wird.
Für Bürgschaftserklärungen, die vor dem 13.06.2014 abgegeben wurden, hat diese Streitfrage keine Bedeutung,
solange der inzwischen sehr bankenfreundliche XI. Zivilsenat nicht auch noch die bisherige Rechtsprechung zum Widerrufsrecht
des Bürgen über Bord werfen wird. _ _ _
Umstritten ist, ob der Bürge seine Erklärung generell (nach Verbraucherkreditrecht) widerrufen kann, auch wenn
kein „Haustürgeschäft" vorliegt. In einem älteren Urteil hat der Bundesgerichtshof ein generelles Widerrufsrecht des Bürgen
abgelehnt, wenn die verbürgte Hauptforderung ein Geschäftskredit war.
„Die Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes gelten jedenfalls nicht für Bürgschaften, die Kredite sichern, welche für eine
bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt oder gemäß § 3 Abs. 1 VerbrKrG vom Anwendungsbereich
des Gesetzes ausgenommen sind."
BGH, Urteil vom 21.04.1998 (Az. IX ZR 258/97) |
Das Widerrufsrecht des Bürgen kann freilich nicht davon abhängen, ob die Hauptforderung geschäftlich oder privat motiviert war.
Für ein generelles Widerrufsrecht des Bürgen deshalb z.B. Hoffmann (Bankrechts-Kommentar, 2. Auflage, 2016, Kap. 29 A Rn. 29-31)
und Mertins (Neue Justiz 2012, 397). _ _ _
Die Widerrufsfrist beträgt in der Regel zwei Wochen. Die Frist läuft allerdings erst, wenn die Bank Sie als Bürge über
Ihr Widerrufsrecht belehrt hat. Solche Widerrufsbelehrungen sind häufig fehlerhaft mit der Folge, dass Sie Ihr Widerrufsrecht weiterhin ausüben
können.
Ein Widerrufsrecht besteht nur dann, wenn Sie die Bürgschaft als Verbraucher (§ 13 BGB) erklärt haben.
Auch der geschäftsführende Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH, der einem Kreditvertrag „seiner" GmbH beitritt,
ist Verbraucher (BGH, Urteil vom 08.11.2005, Az. XI ZR 34/05). |
Sittenwidrigkeit der Bürgschaftserklärung
Ihre Bürgschaftserklärung kann sittenwidrig (und damit nichtig) sein (§ 138 BGB),
wenn die folgenden drei Voraussetzungen vorliegen:
1. Sie sind mit dem Hauptschuldner emotional verbunden (Ehegatten, nahe Verwandte, ggf. auch Arbeitnehmer).
2. Sie hatten kein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse an der Kreditvergabe.
3. Sie werden durch die Verpflichtung aus der Bürgschaft finanziell krass überfordert |
Diese Rechtsprechung basiert auf einem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1993. Inzwischen ist außerdem geklärt,
dass diese Rechtsprechung auch dann zu beachten ist, wenn bereits ein rechtskräftiges
Urteil (Vollstreckungstitel) gegen den Bürgen ergangen ist; solche Urteile sind aufzuheben,
die Zwangsvollstreckung aus solchen Urteilen ist unzulässig (Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 06.12.2005, und hierauf BGH,
Urteil vom 25.04.2006).
„Eine krasse finanzielle Überforderung eines dem Hauptschuldner emotional verbundenen Bürgen (begründet)
die widerlegliche Vermutung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft.
Eine krasse finanzielle Überforderung liegt vor, wenn eine auf den Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung
abstellende, die Ausbildung, Fähigkeiten und familiären Belastungen berücksichtigende Prognose ergibt, dass der Bürge
allein voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, auf Dauer die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung mit Hilfe
des pfändbaren Teils seines Einkommens und Vermögens aufzubringen.
Diese Vermutung kann der Gläubiger nicht nur durch den Nachweis seiner Unkenntnis der krassen finanziellen Überforderung
oder der emotionalen Verbundenheit, sondern auch durch den Nachweis eines eigenen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses
des Bürgen an der Kreditaufnahme ausräumen (...).
Das Interesse des Gläubigers, sich mit Hilfe der Bürgschaft vor etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Ehegatten
zu schützen, ist allein kein die Sittenwidrigkeit ausschließender Umstand (...)."
BGH, Urteil vom 25.06.2008 (Az. XI ZR 330/05 - Rn. 13) |
Ihre emotionale Verbundenheit mit dem Hauptschuldner ist regelmäßig anzunehmen
bei Ehegatten und bei nahen Angehörigen, ggf. auch bei Arbeitnehmern (BGH, Urteil vom 14.10.2003). Bei Kommanditisten einer KG (BGH, Urteil vom 28.05.2002) und Mitgesellschaftern einer GmbH (BGH, Urteil vom 10.12.2002) wird eine solche emotionale Verbundenheit dagegen nur in Ausnahmefällen
vorliegen.
Für Ihre krasse finanzielle Überforderung sind Ihre konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse entscheidend.
Die abstrakte Höhe der Hauptforderung ist nicht maßgeblich. Eine krasse finanzielle Überforderung kann deshalb auch bei einer
vergleichsweise geringen Hauptforderung vorliegen
(knapp 25.000 DM,
20.000 DM,
ca. 17.000 Euro,
knapp 13.000 Euro),
eine Bagatellgrenze wäre nicht gerechtfertigt.
Die Rechtsprechung zur sittenwidrigen Bürgschaftserklärung gilt nicht nur für Bürgen, sondern auch für
sog. Mithaftende. Mithaftende treten zwar formal als Mitdarlehensnehmer auf, sie haben aber kein eigenes Interesse
an der Gewährung des Darlehens und dürfen auch über die Auszahlung bzw. Verwendung des Darlehens nicht mitentscheiden.
Dann macht es für die Frage der Sittenwidrigkeit keinen Unterschied, ob Sie den Darlehensvertrag als Mithaftender
(mit) unterschrieben haben oder ob Sie (nur) als Bürge haften.
„1. Mitdarlehensnehmer ist nur, wer ein eigenes Interesse
an der Kreditgewährung hat und über die Auszahlung und Verwendung
der Darlehensvaluta mitentscheiden darf, Mithaftender, wer der Bank nicht
als gleichberechtigter Darlehensnehmer gegenüber steht.
2. Eine krasse finanzielle Überforderung des mitverpflichteten Ehepartners
oder nahen Angehörigen ist grundsätzlich erst dann zu bejahen,
wenn der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen
der Hauptschuld aufzubringen vermag. Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers
sind nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko
des Mitverpflichteten auf ein rechtlich vertretbares Maß beschränken.
3. In den Fällen der krassen finanziellen Überforderung besteht
eine tatsächliche (widerlegliche) Vermutung, dass sich der Ehegatte
oder nahe Angehörige bei der Übernahme der Mithaftung nicht
von seinen Interessen und von einer rationalen Einschätzung
des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen und dass das Kreditinstitut
die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Mithaftenden in sittlich
anstößiger Weise ausgenutzt hat.
4. Der Erwerb bloßer mittelbarer Vorteile aus einem Betriebsmittelkredit
des Hauptschuldners ist nicht geeignet, die tatsächliche Vermutung
einer unzulässigen Willensbeeinflussung zu widerlegen.
5. Die gegen die guten Sitten verstoßende Mithaftungsabrede ist
nach § 139 BGB teilweise aufrecht zu erhalten,
wenn die Vertragsschließenden bei Kenntnis des Nichtigkeitsgrundes
an Stelle der unwirksamen Regelung eine andere auf das zulässige
Maß beschränkte vereinbart hätten und sich der Vertragsinhalt
in eindeutig abgrenzbarer Weise in den nichtigen Teil und den
von der Nichtigkeit nicht berührten Rest aufteilen lässt (...)."
BGH, Urteil vom 14.11.2000 (Az. XI ZR 248/99 - Leitsätze) |
Zu den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung bei Vorliegen
einer krassen finanziellen Überforderung des mitverpflichteten Ehepartners siehe BGH, Urteil vom 15.11.2016 (Az. XI ZR 32/16).
„Verbürgt sich der finanziell krass überforderte Ehepartner für ein
staatlich gefördertes Existenzgründungsdarlehen des anderen,
so genügt es zur Widerlegung der Vermutung eines Handelns
aus emotionaler Verbundenheiten nicht, dass der Bürge in dem
künftigen Gewerbebetrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten soll."
BGH, Urteil vom 25.01.2005 (Az. XI ZR 28/04 - Leitsatz) |
„Die kreditgebende Bank muss grundsätzlich darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für eine
echte Mitdarlehensnehmerschaft vorliegen. Spricht hierfür der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages,
hat der Schuldner nach den Regeln über die sekundäre Darlegungslast darzutun, dass er nicht
das für eine Mitdarlehensnehmerschaft notwendige Eigeninteresse an der Kreditaufnahme besaß."
BGH, Urteil vom 16.12.2008 (Az. XI ZR 454/07 - Leitsatz) |
Anmerkung:
Der BGH überhöht in dem vorgenannten Urteil die Bedeutung des Vertragswortlauts für die Abgrenzung Mitdarlehensnehmer / Mithaftender
und kommt so zu einer sekundären Darlegungslast des Mitverpflichteten. Tatsächlich geht es hier aber gar nicht um eine Auslegung
des Darlehensvertrags, sondern um die Ermittlung und Bewertung der Gesamtumstände, die zum Abschluss des Darlehensvertrags
geführt haben (Schimansky, WM 2002, 2437, 2438). Damit entfällt das entscheidende Argument des BGH
für eine sekundäre Darlegungslast des Mitverpflichteten.
Der BGH verweist auf ein Urteil des OLG Celle vom 21.04.2004. Das OLG Celle begründet die Beweislast der Bank
für das Eigeninteresse des Mitverpflichteten mit deren „Obliegenheit, sich nach dem Verwendungszweck des Darlehens
zu erkundigen, um zu erfahren, wer von den Eheleuten ein eigenes Interesse am Abschluss des Vertrages hat".
Wenn die Bank eine solche Obliegenheit zur Ermittlung des Vertragszwecks hat, dann kann den Mitverpflichteten
keine sekundäre Darlegungslast zu dem Verwendungszweck treffen, den die Bank aufgrund ihrer Obliegenheit bereits kennen
müsste.
Im Einzelnen verweise ich hierzu auf meine Kurzanmerkung in VuR 2009, 178 f. (Heft 5) und auf meine ausführliche Urteilsbesprechung in WM 2009, 1971 (Heft 42).
„Bei Höchstbetragsbürgschaften, bei denen sich die Haftung für Nebenforderungen lediglich nach der Bürgschaftssumme und nicht nach der
höheren Hauptschuld richtet, ist Maßstab der krassen finanziellen Überforderung des dem Hauptschuldner persönlich
besonders nahe stehenden Bürgen die vertragliche Zinslast aus der Bürgschaftssumme und nicht aus der höheren Hauptschuld (...)."
BGH, Urteil vom 19.02.2013 (Az. XI ZR 82/11 - Leitsatz) |
Faustregel:
Als Bürge / Mithaftender sind Sie krass finanziell überfordert, wenn Sie aus Ihrem pfändbaren Einkommen nicht einmal die laufenden Zinsen bezahlen können. Haben Sie Vermögen,
kann dies Ihrer krassen finanziellen Überforderung entgegenstehen.
„Ein einkommensschwacher Bürge ist wirtschaftlich nicht krass überfordert, wenn er die gesamte Bürgschaftsschuld
voraussichtlich durch Verwertung des von ihm bewohnten Eigenheims zu tilgen vermag."
BGH, Urteil vom 26.04.2001 (Az. IX ZR 337/98 - Leitsatz) |
Dingliche Belastungen Ihres Grundbesitzes sind aber wertmindernd zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 24.11.2009, Az. XI ZR 332/08).
„1. Eine anderweitige Sicherheit schließt die Sittenwidrigkeit von Bürgschaften oder Mithaftungsübernahmen
finanziell krass überforderter Ehepartner bzw. Lebenspartner für eine Darlehensschuld des anderen Teils nur dann aus,
wenn gewährleistet ist, dass den Betroffenen allenfalls eine seine Finanzkraft nicht übersteigende 'Ausfallhaftung' trifft.
2. Bei der Frage, ob die Grundschuld nach dem Inhalt der vorformulierten Bankbedingungen auch künftige Forderungen gegen
den Darlehensnehmer sichert, darf eine Unklarheit i.S.v. § 5 AGBG (§ 305c Abs. 2 BGB) nicht zu Lasten des finanziell krass überforderten Bürgen oder
Mithaftenden gehen.
3. Die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff.
InsO schließt
eine Anwendung des § 138
Abs. 1 BGB auf ruinöse Bürgschaften oder Schuldbeitritte finanzschwacher Ehepartner bzw. Lebenspartner nicht aus."
BGH, Urteil vom 16.06.2009 (Az. XI ZR 539/07 - Leitsätze)
zum 1. Leitsatz (Rn. 21):
„Anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers - vor allem dingliche Sicherheiten - (sind) im Rahmen
der Wirksamkeitsprüfung finanziell übermäßig belastender Bürgschaften oder Schuldbeitritte
zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise
auf ein vertretbares Maß beschränken (...). Den finanziell krass überforderten Bürgen oder Mithaftenden
(darf) jedoch mit Rücksicht auf die weitere Sicherheit allenfalls eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit
nicht übersteigende und damit von § 138
Abs. 1 BGB nicht erfasste 'Ausfallhaftung' treffen. Dazu muss gewährleistet sein, dass der Kreditgeber ihn erst
nach einer ordnungsgemäßen Verwertung der anderen Sicherheit in Anspruch nimmt."
zum 3. Leitsatz (Rn. 32):
„Es ist nicht der Zweck des langjährigen und komplizierten Restschuldbefreiungsverfahrens, Kreditinstitute, die versuchen,
die offensichtliche Willensschwäche eines finanziell überforderten Ehepartners oder nichtehelichen Lebensgefährten
des Hauptschuldners zur Durchsetzung ihrer vermeintlichen Interessen zu nutzen, vor der weitreichenden Nichtigkeitssanktion
des § 138 Abs. 1 BGB zu bewahren." |
Hinweis zu anderweitigen Sicherheiten:
Bezahlen Sie als Bürge an den Gläubiger, gehen anderweitige Sicherheiten des Hauptschuldners (Kreditnehmers) auf Sie
über (§ 774 BGB). Unabhängig von einer
etwaigen Sittenwidrigkeit der Bürgschaftserklärung erlischt die Bürgschaft,
soweit der Gläubiger eine solche Sicherheit des Hauptschuldners aufgibt (§ 776 BGB). |
Verjährung der Bürgschaftsforderung
Die Bürgschaftsforderung kann wie jede gewöhnliche Forderung verjähren.
Die Verjährungsfrist läuft ab der Fälligkeit der Bürgschaftsforderung.
Eine selbstschuldnerische Bürgschaft wird in der Regel mit der Hauptforderung fällig.
„Die Fälligkeit der Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft tritt, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren,
mit der Fälligkeit der Hauptschuld ein und ist nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig."
BGH, Urteil vom 29.01.2008 (Az. XI ZR 160/07 - 2. Leitsatz)
„Es widerspricht dem Schutzzweck des Rechtsinstituts der Verjährung, den Beginn der Verjährungsfrist
an eine Leistungsaufforderung des Gläubigers zu knüpfen, da es dieser dann in der Hand
hätte, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen weitgehend beliebig
hinauszuzögern (Bestätigung des Senatsurteils vom 29.01.2008, Az. XI ZR 160/07, Rn. 24). "
BGH, Urteil vom 11.09.2012 (Az. XI ZR 56/11 - 3. Leitsatz) |
Die Parteien können die Verjährung der Bürgschaftsforderung hiervon abweichend regeln.
Eine AGB-Klausel, welche die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung von einer Zahlungsaufforderung des Gläubigers
abhängig macht, soll wirksam sein (keine unangessene Benachteiligung des Bürgen gemäß § 307 BGB) und den Lauf der Verjährungsfrist hinausschieben,
wenn die Bürgschaftserklärung vor dem 01.01.2002 (Verkürzung der gesetzlichen Regelverjährung von 30
auf drei Jahre) abgegeben wurde. In einem solchen Altfall könne sich der Bürge (im dortigen Fall:
der geschäftsführende Gesellschafter der als Hauptschuldnerin haftenden GmbH) auf die zwischenzeitliche Verkürzung
der Regelverjährung nicht berufen, wenn er weiß, dass der Gläubiger nach Fälligwerden
der Hauptforderung von seiner Inanspruchnahme absieht, weil er abwartet, ob der Hauptschuldner wiederholt
angekündigte Ratenzahlungen leistet (BGH, Urteil vom 26.02.2013,
Az. XI ZR 417/11).
Eine AGB-Klausel, welche die gesetzliche Regelverjährung (drei Jahre) auf fünf Jahre verlängert, soll wirksam sein
(keine unangessene Benachteiligung des Bürgen gemäß § 307 BGB), wenn sie den Bürgen teilweise begünstigt, weil sie - abweichend von
der gesetzlichen Regelung (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) -
den Beginn der Verjährungsfrist nicht von kenntnisabhängigen Faktoren abhängig macht (BGH, Urteil vom 21.04.2015, Az. XI ZR 200/14).
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Verjährung der Hauptforderung
Unabhängig von der Verjährung der Bürgschaftsforderung kann der Bürge sich außerdem darauf berufen,
dass die Hauptforderung verjährt ist.
„Der Bürge kann sich auch dann gemäß § 768
Abs. 1 Satz 1 BGB mit Erfolg auf die Verjährung der Hauptschuld berufen, wenn die Hauptschuldnerin nach der Übernahme
der Bürgschaft wegen Vermögenslosigkeit und/oder Löschung im Handelsregister als Rechtsperson untergegangen ist und aus diesem Grund
die gegen sie gerichteten Forderungen weggefallen sind."
BGH, Urteil vom 28.01.2003 (Az. XI ZR 243/02 - Leitsatz) |
Dies gilt auch dann, wenn der Hauptschuldner die Verjährungseinrede nicht erhebt und deshalb rechtskräftig verurteilt wird,
oder wenn der Hauptschuldner auf die Verjährungseinrede verzichtet.
„Nach § 768 Abs. 2 BGB kann der Hauptschuldner
durch den Verzicht auf die Einrede der Verjährung die Haftung des Bürgen nicht erweitern. Dabei ist es
unerheblich, ob im Zeitpunkt der Erklärung des Verjährungsverzichts durch den Hauptschuldner die Hauptschuld
bereits verjährt war oder nicht."
BGH, Urteil vom 18.09.2007 (Az. XI ZR 447/06 - 2. Leitsatz) |
Wird der Hauptschuldner rechtskräftig verurteilt, obwohl er die Verjährungseinrede erhoben hatte, kann in der Regel
auch der Bürge nicht mehr geltend machen, dass die Hauptforderung verjährt sei.
„Der Bürge verliert das Recht, sich gegenüber dem Gläubiger auf den Ablauf der ursprünglichen Regelverjährung
der Hauptforderung zu berufen, wenn aufgrund eines gegen den Hauptschuldner ergangenen rechtskräftigen Urteils gegen diesen eine neue
30-jährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird, und sich der Hauptschuldner erfolglos auf die Einrede der Verjährung berufen hatte
(Klarstellung BGH, Urteil vom 12.03.1980, Az. VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222)."
BGH, Urteil vom 14.06.2016 (Az. XI ZR 242/15 - Leitsatz) |
Dann kommt aber eine analoge Anwendung des § 768 Abs. 2 BGB wegen
verzichtsähnlichen Prozessverhaltens des Hauptschuldners in Betracht, wenn dieser bewusst Vortrag unterdrückt hat, der zur Begründung
der Verjährungseinrede erforderlich gewesen wäre. Solche Versäumnisse des Hauptschuldners im Prozess gegen den Gläubiger
muss der Bürge substantiiert darlegen und beweisen, ggf. nach Einsicht in die Prozessakten. _ _ _
Die Hemmung der Verjährung durch ernsthafte Verhandlungen des Hauptschuldners mit dem Gläubiger wirkt auch gegenüber
dem Bürgen.
„Eine durch ernsthafte Verhandlungen des Hauptschuldners mit dem Gläubiger gemäß § 203 Satz 1 BGB bewirkte Hemmung der Verjährung ist auch gegenüber dem Bürgen wirksam."
BGH, Urteil vom 14.07.2009 (Az. XI ZR 18/08 - 1. Leitsatz) |
Die Hauptforderung kann auch dann noch verjähren, wenn der Bürge bereits rechtskräftig verurteilt wurde.
In diesem Fall kann der Bürge seine Verurteilung mit der Vollstreckungsgegenklage angreifen, allerdings nur, wenn die Hauptforderung
noch nicht verjährt war, als er verurteilt wurde.
„Der Bürge kann die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) darauf stützen,
die verbürgte Hauptforderung sei nach seiner rechtskräftigen Verurteilung verjährt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 09.07.1998, Az. IX ZR 272/96, NJW 1998, 2972)."
BGH, Urteil vom 05.11.1998 (Az. XI ZR 48/98 - Leitsatz) |
Eine Klage des Gläubigers gegen den Bürgen kann die Verjährung der Hauptforderung in der Regel nicht hemmen.
Anders ist es nur dann, wenn der Hauptschuldner als Rechtsperson untergegangen ist, so dass der Gläubiger die Verjährung
gegenüber dem Hauptschuldner nicht mehr hemmen kann.
„Eine gegen den Bürgen erhobene Klage hemmt auch bei einem späteren Untergang des Hauptschuldners als Rechtsperson gemäß
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung
der Hauptschuld (Fortführung von BGH, Urteil vom 28.01.2003, Az. XI ZR 243/02,
BGHZ 153, 337, 342 f.)."
BGH, Urteil vom 14.07.2009 (Az. XI ZR 18/08 - 2. Leitsatz) |
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Sicherheit weg, Bürgschaft weg
„1. Eine Bürgschaft erlischt nach § 776 BGB
durch Aufgabe einer weiteren für dieselbe Hauptforderung bestehenden Sicherheit. Anders als ein Leistungsverweigerungsrecht entfällt
diese Rechtsfolge des § 776 BGB nicht dadurch, dass der Gläubiger die zunächst aufgegebene Sicherheit später
zurückerwirbt oder neu begründet.
2. Ein Verzicht des Bürgen, mit dem das Erlöschen der Bürgschaft rückgängig gemacht werden soll, unterliegt
als Neubegründung dieses Schuldverhältnisses der Form des § 766 BGB."
BGH, Urteil vom 04.06.2013 (Az. XI ZR 505/11 - Leitsätze) |
Als Bürge können Sie der Bank auch eine unwirtschaftliche Verwertung von Sicherheiten entgegenhalten
(LG Hamburg, Urteil vom 19.07.2016, Az. 303 O 286/15).
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Einsichtsrecht des Bürgen
„Dem Bürgen (steht) gegenüber dem Gläubiger des Hauptschuldners grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die
das Rechtsverhältnis des Gläubigers zum Hauptschuldner betreffenden Urkunden zu (§ 810 Fall 2 BGB i.V.m. §§ 422, 423 ZPO)."
BGH, Urteil vom 27.05.2014 (Az. XI ZR 264/13 - Rn. 20)
Beachte auch die dortigen Leitsätze:
„1. Ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Einsicht in eine Urkunde i.S.v. § 810 Fall 2 BGB fehlt,
wenn der Anspruchsteller die Einsicht nur aufgrund vager Vermutungen über den Inhalt der Urkunde verlangt,
um erst durch die Einsicht Anhaltspunkte für eine spätere Rechtsverfolgung zu gewinnen.
2. Die Vorschrift des § 810 BGB gewährt keinen Anspruch auf Einsicht in komplette Akten,
Urkundensammlungen oder in sämtliche, einen bestimmten Vertrag betreffende Schriftstücke. Der für die Voraussetzungen
einer Einsichtsgewährung nach § 810 BGB darlegungs- und beweispflichtige Anspruchsteller muss die konkrete Urkunde und
deren angeblichen Inhalt genau bezeichnen." |
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